Slowakei: Sommertheater zur Skandalverschleierung
Nach nur einem Tag nahm der Chef der rechtspopulistischen SNS seine Aufkündigung der Regierungskoalition wieder zurück. Hintergrund der Farce dürfte ein millionenschwerer Skandal um EU-Förderungen sein.
SNS-Chef und Parlamentspräsident Andrej Danko. – (c) APA/AFP/SAMUEL KUBANI
Von DIe Presse Korrespondenten Christoph Thanei
Bratislava. "Hinter dieser Regierungskrise steckt kein Streit um unterschiedliche Werte, und es geht auch nicht um die Probleme der Slowakei, sondern nur darum, einen 600-Millionen-Euro-Skandal um EU-Förderungen zu vertuschen." So beschreibt die Parlamentsabgeordnete Veronika Remišová von der Oppositionspartei Gewöhnliche Leute die Farce, mit der die Dreiparteienkoalition in Bratislava gerade für zweifelhafte Unterhaltung sorgt.
Noch vor wenigen Tagen hatten sich die Chefs der drei Regierungsparteien in frischer Urlaubsbräune vor die Mikrofone gestellt, um in demonstrativer Einigkeit den von der rechtspopulistischen Slowakischen Nationalpartei (SNS) gestellten Bildungsminister Peter Plavčan gegen Korruptionsverdacht in Schutz zu nehmen. Doch schon am Montag schockte SNS-Chef und Parlamentspräsident Andrej Danko seine Partner mit der schriftlichen Kündigung des Koalitionsvertrags.
Die neuerliche Kehrtwende kam schon nach einmal Drüberschlafen und einem mehrstündigen Krisengespräch der drei Parteichefs am Dienstag. "Wir haben uns aufrichtig unsere Standpunkte erklärt und sind zu dem Schluss gekommen, dass es keine Alternative zu dieser Regierungskoalition gibt", erklärte Béla Bugár, der von den beiden anderen vorgeschickte Chef des kleinsten Regierungspartners, der ungarisch-slowakischen Verständigungspartei Most-Hid (Brücke). SNS-Chef Danko wollte weiterhin nicht konkreter erklären, was ihn zu der Koalitionsaufkündigung bewogen hatte. Und der sozialdemokratische Regierungschef, Robert Fico, warf den Journalisten, die ihn mit Fragen aufhalten wollten, nur die verächtliche Bemerkung entgegen: "Sie sind peinlich!" Zuvor hatte seine Sprecherin wenigstens die knappe Stellungnahme per E-Mail verbreitet, dass er Dankos Koalitionsaufkündigung für einen "absurden Schritt" halte.
Warnbrief aus Brüssel
Mangels konkreter Antworten sprießen in Medien die Spekulationen. Im Mittelpunkt steht dabei der von Oppositionspolitikerin Remišová mit aufgedeckte Skandal im Bildungsministerium. In intransparenten Ausschreibungen sollen EU-Förderzusagen in Millionenhöhe fragwürdig verteilt worden sein. Mittlerweile hat die EU-Kommission einen Warnbrief nach Bratislava geschickt und die Auszahlung der Gelder bis zur endgültigen Aufklärung blockiert. Schon vorher hatten Universitätsrektoren und Vertreter der Akademie der Wissenschaften einen Protestbrief veröffentlicht, in dem sie mutmaßliche Manipulationen und Missbrauch anprangerten. Statt seriöser Wissenschaftsinstitute hätten Privatfirmen ohne Erfahrung gewonnen.
SNS-Vizeparteichef Jaroslav Paška beschwerte sich, dieser Rektorenbrief sei unfair im Umfeld der sozialdemokratischen Smer-Partei von Premier Fico angezettelt worden. Und überhaupt, so legte er am Dienstag in Medien nach, reichten die unlauteren Gepflogenheiten im Ministerium noch in die Zeit des früheren Bildungsministers zurück, den die Sozialdemokraten gestellt hatten. Was darunter zu verstehen ist, brachte Technologieunternehmer František Zvrškovec in einem TV-Interview auf den Punkt: "Mir wurde direkt von Ministerialbeamten gesagt, dass ich ohne Bestechung von bis zu 20 Prozent des Auftragswerts gar keine Chance hätte, meine eingereichten EU-Projekte bewilligt zu bekommen."