ARD-tagesscheu.de / 01.03.2020
Opposition fährt klaren Sieg ein
Das EU-Land Slowakei erlebt einen politischen Umbruch. Die jahrelange Herrschaft der Sozialdemokraten scheint gebrochen. Nach Auszählung fast aller Stimmen liegt die Partei eines Unternehmers bei der Parlamentswahl vorn.
Die Protestpartei Olano des Unternehmers Igor Matovic hat die Parlamentswahl in der Slowakei gewonnen. Nach Auszählung fast aller Wahlbezirke lag die konservative Protestpartei mit 24,95 Prozent deutlich in Führung.
Damit steht die Slowakei vor einem Regierungswechsel. Die EU- und NATO-freundliche Olano könnte mit drei anderen liberalen und konservativen Parteien eine Mitte-Rechts-Koalition bilden. Zusammen kämen sie auf eine Mehrheit von 90 der insgesamt 150 Sitze im Parlament.
Der 46 Jahre alte Matovic hat sich den Kampf gegen die Korruption auf die Fahnen geschrieben. Er habe diejenigen Menschen ansprechen wollen, die das Vertrauen in die Politik bereits verloren hätten, sagte er nach der Wahl im Fernsehen. "Jetzt sind wir die Mafia definitiv losgeworden!" rief er. Er wolle allen 5,4 Millionen Slowaken dienen, nicht nur den obersten Zehntausend.
Herbe Verluste für Sozialdemokraten
Die Sozialdemokraten (Smer) von Ministerpräsident Peter Pellegrini mussten schwere Verluste hinnehmen und landeten bei 18,4 Prozent (2016: 28,3 Prozent). Damit dürfte eine Ära enden: Seit 2006 war die linkspopulistische Partei im Parlament immer stärkste Kraft gewesen. Pellegrinis bisherige Koalitionspartner, die Slowakische Nationalpartei (SNS) und die Partei der ungarischen Minderheit Most-Hid, verfehlten die Fünf-Prozent-Hürde für den Einzug in den Nationalrat, das Einkammerparlament in Bratislava.
Es ist die erste Parlamentswahl seit der Ermordung des Journalisten Jan Kuciak und dessen Lebensgefährtin Martina Kusnirova vor genau zwei Jahren. Die kaltblütige Tat hatte zu Großdemonstrationen gegen Filz und Korruption geführt. "Die Slowakei ist nach dem Tod von Jan und Martina aufgewacht", erklärte Matovic in der Wahlnacht.
Provokante Aktionen im Wahlkampf
Beobachter erwarten langwierige Koalitionsverhandlungen, denn der Protestpolitiker Matovic gilt Vielen als unberechenbar. "Wörter wie Seriosität und Regierungsverantwortung scheinen im Zusammenhang mit ihm recht unangebracht", merkte der Politologe Lubomir Kopecek in einem Zeitungskommentar an.
Im Internet ließ Matovic seine Anhänger selbst über das Programm abstimmen. Mit frech-provokanten Aktionen erzielte er viel Aufmerksamkeit. So reiste er nach Cannes zur Villa eines sozialdemokratischen Ex-Finanzministers. Er klebte ein Schild "Eigentum der slowakischen Republik" an das Haus, wollte damit zeigen, dass Korruption im Spiel sei, und postete das Video im Internet.
Die Slowakei gehört mit Tschechien, Ungarn und Polen der Visegrad-Gruppe an, die sich gegen eine Umverteilung von Flüchtlingen innerhalb Europas wehrt. Daran dürfte sich auch unter einem möglichen Ministerpräsidenten Matovic nichts ändern. "Leute, bleibt ruhig - es wird keine Quoten geben, keine illegalen Migranten werden in die Slowakei eingeschleust werden", versicherte er in einer TV-Debatte.